Ein dezentrales Oberzentrum Südthüringen aus sechs Städten kann nicht funktionieren. Die jahrelange äußerst engagierte Arbeit der Mitarbeiter in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft (KAG) der vier Städte Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis würde zunichtegemacht. Fraktionsübergreifend verabschiedeten die Stadträte der vier Städte am Dienstag eine gemeinsame Beschlussvorlage für ein starkes Oberzentrum Südthüringen mit ihren vier Städten. Die Absage an die Aufnahme der Städte Meiningen und Schmalkalden ist unmissverständlich. Diese sollen durch Kooperationsvereinbarungen angebunden werden.
In einer gemeinsamen Sitzung der Räte der vier Städte wurden die vier (Ober-)Bürgermeister beauftragt, sich im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zum aktuellen Entwurf des Landesentwicklungsprogramms (LEP) auf allen Ebenen für ein Oberzentrum Südthüringen der vier Städte Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis einzusetzen.
Weiterhin lehnen die Stadträte entschieden die landesplanerische Etablierung eines dezentralen, räumlich unzusammenhängenden Oberzentrums Südthüringen in Form eines losen Städteverbundes ab. Darüber hinaus wurde bekräftigt, dass der im Regionalen Entwicklungskonzept „Oberzentrum Südthüringen” vom 15. Juni 2021 beschriebene und bereits beschrittene Weg der engen Anbindung der Städte Meiningen und Schmalkalden durch rechtsverbindliche Kooperationsvereinbarungen konsequent weiterverfolgt werden soll.
Gemeinsame Stadtplanung unmöglich
Ein Oberzentrum steht laut Landesentwicklungsprogramm Thüringen in einem engen siedlungsstrukturellen Zusammenhang. Dieser besteht nur zwischen den vier Städten, nicht jedoch mit Meiningen und Schmalkalden. Ein Oberzentrum aus sechs Städten führt zur Zerfaserung und macht eine gemeinsame Stadtplanung dieser und die Zusammenfassung von Funktionen praktisch unmöglich. Das verdeutlichte KAG-Vorsitzender Richard Rossel. Auch die notwendige agile und schnelle Kommunikation sei alles andere als gewährleistet. „Bereits 2000 haben wir das im angedachten Städteverbund mit sechs Städten erlebt. Dieser ist krachend gescheitert”, meinte Richard Rossel unter dem Beifall der Stadträte und Führungskräfte der vier Städte.
Viel mehr als nur Zusammenarbeit
Dies bedeute jedoch nicht, dass eine Zusammenarbeit mit Meiningen und Schmalkalden nicht gewünscht wird, im Gegenteil. „Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass eine Kooperation zu bestimmten Themen nicht dasselbe ist wie ein enges Zusammenwirken als Oberzentrum in gemeinsamen Funktionen und Aufgaben. Papier ist hier geduldig, die Praxis nicht”, betonte Rossel.
Seit dem Regionalen Entwicklungskonzept (REK) von 2019 würden die Städte Meiningen und Schmalkalden als komplementäre Elemente des Oberzentrums gesehen. „Wir schaffen keine Doppelstrukturen und wir ziehen keine Ressourcen ab. Wir denken nicht in Kirchtürmen, sondern für Südthüringen. Das haben wir immer wieder betont.“ Es habe bereits Gespräche mit den Bürgermeistern Meiningens und Schmalkaldens zur engen Zusammenarbeit gegeben, sei es bezüglich der Hochschule Schmalkalden oder kultureller Einrichtungen. Dieses konstruktive Miteinander sehen die Bürgermeister durch die Änderung des Landesentwicklungsplans gefährdet. „Das führt zu erneuten Konflikten.“
900.000 Euro Steuergelder in den Sand gesetzt?
Darüber hinaus hätte die Aufnahme von Meinigen und Schmalkalden zwangsläufig zur Folge, den bisherigen Arbeitsstand der KAG aufzugeben.
Auf Grundlage des Regionalen Entwicklungskonzepts wurden acht Konzepte, darunter zum Beispiel ein Gewerbeflächenkonzept, ein Wirtschaftsförderungskonzept und ein Tourismuskonzept, erarbeitet.
Diese Konzepte von Grund auf neu anzugehen, würde nicht nur einen immensen Zeitaufschub für die Umsetzung des Oberzentrums bedeuten, sondern auch einen zweifelhaften Umgang mit Steuergeldern bedeuten. So wurden die Konzepte und das REK mit insgesamt 804.000 Euro Fördermitteln von Bund und Land sowie mit 96.000 € Eigenmitteln der Städte finanziert. Für Rossel ein sehr fragwürdiger Umgang mit dem Geld der Bürger.
Deutliche Absage
Das sahen auch alle Fraktionsvertreter der vier Städte so. In einem einmaligen Schulterschluss fordern sie die Anerkennung des in fünf Jahren erreichten Arbeitsstandes. Weitere Unterstützung erhielt die KAG durch die IHK Südthüringen sowie durch Prof. Dr. Mario Voigt, Fraktionsvorsitzender der CDU im Thüringer Landtag: „Die vier Städte haben in den letzten fünf Jahren in etwas investiert und etwas aufgebaut, das einmalig ist. Sie haben über die Stadtgrenzen geschaut, um Südthüringen zu entwickeln. Das ist ein beeindruckendes Signal nach Erfurt.“
Aufgrund der Faktenlage sind sich die Bürgermeister der KAG sowie die Stadträte einig, dass ein dezentrales, funktionsteiliges Oberzentrum scheitern wird. Sie stehen dafür aufgrund ihrer nachweisbaren Erfahrungen nicht zur Verfügung.
Werdegang des Oberzentrums Südthüringen
Unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Bodo Ramelow begann am 30. November 2018 ein außergewöhnliches Kapitel der Zusammenarbeit zwischen den Städten Südthüringens. Die Gründung der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft (KAG) markierte den Start eines wegweisenden Projekts für die Region. Vier eigenständige Städte – Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis – verpflichteten sich freiwillig, landkreisübergreifend und ohne äußeren Zwang dazu, gemeinsam die Region zu fördern und voranzubringen.
Die deutschlandweit einmalige Initiative erhielt seitdem bedeutende Unterstützung von Land und Bund. Im Jahr 2019 flossen 90.000 € Fördermittel des Landes in das Regionale Entwicklungskonzept (REK). 2021 trug der Bund mit einer Förderung 700.000 € und später zusätzlichen 14.000 € maßgeblich zum Erfolg des Vorhabens bei. Die KAG investierte selbst 96.000 € in Form von Personalkosten. Die Aufnahme des Oberzentrums Südthüringen in den Landesentwicklungsplan (LEP) 2022 bestätigte den erfolgreichen Weg, den die Städte eingeschlagen hatten. Noch im November 2023 stellte das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft im Landesentwicklungsbericht 2023 die Planung eines Oberzentrums Südthüringen aus den vier Städten Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis vor. Diese Entscheidung, die auf dem erfolgreichen Engagement der beteiligten Städte beruhte, wurde von der Landesregierung als richtungsweisend betrachtet.
Jedoch wurden die beteiligten Städte am 16. Februar 2023 von einer überraschenden Kehrtwende der Landesregierung überrumpelt. Ohne vorherige Konsultation der Stadträte und Bürgermeister der KAG beschloss die Landesregierung, Meiningen und Schmalkalden in das Oberzentrum aufzunehmen. Diese Entscheidung konterkariert die bisherigen Ergebnisse der Zusammenarbeit der Städte.
Zur Förderinitiative „Aktive Regionalentwicklung“:
Innerhalb des Programms Region gestalten wurden die vier Städte bis 2023 mit 714.000 Euro Fördermitteln vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) unterstützt.
Ihre Ansprechpartnerin:
Anne Schlegel
Kommunale Arbeitsgemeinschaft – Kommunikation
Tel.: +49 3682 852-800
Mobil: +49 151 4021 0403