Mit großer Enttäuschung und Unverständnis nimmt die Kommunale Arbeitsgemeinschaft (KAG) die Entscheidung der Landesregierung zur Kenntnis, ein Oberzentrum Südthüringen aus sechs Städten bilden zu wollen. Die Erweiterung des angestrebten Vierer-Oberzentrums um die Städte Meiningen und Schmalkalden widerspricht allen vorgelegten Konzepten, der geleisteten Vorarbeit, der Einigung auf einen raumordnerischen Vertrag sowie der Historie, die das Scheitern eines Städteverbundes aus zu vielen, räumlich entfernten Städten zeigte.
„Wir sind enttäuscht“, sagt André Knapp, seit dem 1. Juli Vorsitzender der KAG. „Nach all der umfangreichen fachlichen Vorarbeit, der Erfüllung aller gestellten Voraussetzungen seitens Land und Bund und nicht zuletzt nach der Unterzeichnung eines Raumordnerischen Vertrags, waren wir fest davon überzeugt, dass die Landesregierung eine Entscheidung treffen würde, die der Region Südthüringen zugutekommt. Diese enttäuschende Wende lässt jedoch darauf schließen, dass die Landesregierung die weitreichenden positiven Konsequenzen eines Vierer-Oberzentrums in enger Kooperation mit Meiningen und Schmalkalden nicht erkannt hat”, so Knapp.
Der Wert von Verträgen und Absprachen
“Welche Bedeutung sollen künftig Verträge, Vereinbarungen und Absprachen haben, wenn sie derart leichtfertig gebrochen werden?”, hinterfragt André Knapp und nimmt Bezug auf die jahrelange Unterstützung des Vorhabens durch die Landesregierung, die nun ad absurdum geführt wird. Die Unterstützung zeigte sich unter anderem durch die Schirmherrschaft des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow bei der Gründung der KAG im Jahr 2018 sowie durch erhebliche Landesfördermittel in Höhe von 90.000 € zur Erstellung eines Regionalen Entwicklungskonzepts. Darüber hinaus flossen auch 714.000 € Bundesfördermittel in das Projekt der KAG. Seitens des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) wurde das Vorhaben seit 2019 im Rahmen der Thüringer Landesentwicklungsberichte stets wohlwollend begleitet und präsentiert.
Auch der für die Landesentwicklung zuständige Landesausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten empfahl der Landesregierung noch im Mai dieses Jahres die Etablierung eines Oberzentrums aus den vier Städten (Drucksache 7/9466 Thüringer Landtag).
Zuletzt konnte ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem Oberzentrum aus den vier Städten erreicht werden. In einem gemeinsam mit dem TMIL und den Städten Meiningen und Schmalkalden erarbeiteten Vertrag wurde schriftlich festgehalten, was die KAG schon immer betont hatte: Die Städte Schmalkalden und Meiningen sollen enge Partner des künftigen Oberzentrums Südthüringen sein. Die Unterzeichnung des Vertrages am 24. Juni kann als gemeinsames Bekenntnis zur Etablierung eines Oberzentrums Südthüringen aus den vier Städten, in enger Kooperation mit Meiningen und Schmalkalden, verstanden werden.
„Die Unterzeichnung des Raumordnerischen Vertrages sollte Klarheit schaffen – nun stellt sich jedoch die Frage nach seiner Bedeutung. Wie hätte dieser Vertrag anders verstanden werden können, als dass er die Etablierung eines Oberzentrums Südthüringen aus den vier Städten Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis vorsieht, die in enger Abstimmung mit Meiningen und Schmalkalden zusammenarbeiten? Andernfalls wäre seine Existenz überflüssig. Wenn das Land ein Oberzentrum aus allen sechs Städten hätte etablieren wollen, hätte man sich die Zeit und Mühe aller Beteiligten sparen können, da dafür kein raumordnerischer Vertrag erforderlich ist“, so Knapp.
Parteipolitisches Interesse vor Regionaler Entwicklung?
Die KAG warnte wiederholt davor, dass ein zu weit gefasstes Oberzentrum die Effektivität und die Entwicklungsmöglichkeiten der beteiligten Städte und der Region stark beeinträchtigen wird. „Kann die Landesregierung die Lektionen aus der Vergangenheit vergessen haben? Die enormen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Maßnahmen aufgrund großer räumlicher Distanzen und unterschiedlicher Interessen sind offensichtlich und im Südthüringer Raum historisch nachgewiesen. Das Scheitern und die daraus resultierende Auflösung des damaligen Städteverbundes im Jahr 2008 kam nicht von Ungefähr.“, erinnert der KAG Vorsitzende und ergänzt „Eine Kooperation zu bestimmten Themen, wie sie auch im raumordnerischen Vertrag festgehalten wurde, kann nicht mit einem engen Zusammenwirken als Oberzentrum in gemeinsamen Funktionen und Aufgaben gleichgesetzt werden.“ Vor diesem Hintergrund deutet sich an, dass bei dieser unverständlichen Entscheidung möglicherweise andere als rein sachliche Interessen eine Rolle gespielt haben könnten. Die Ergebnisse der letzten Kommunalwahlen sowie die bevorstehende Wahl des Landtags werfen einen interessanten Blick auf mögliche Beweggründe für diese Entscheidung, die aus rein sachlichen, fachlichen und historischen Gründen nicht nachvollziehbar ist.
Kein Oberzentrum aus 6 Städten mit der KAG
Ein Oberzentrum aus sechs Städten lehnt die KAG ab. „Wir Bürgermeister und auch die Stadträte der vier Städte sind uns aufgrund der genannten Punkte einig, dass ein dezentrales, funktionsteiliges Oberzentrum scheitern wird. Wir stehen daher für ein Oberzentrum aus sechs Städten nicht zur Verfügung“, so André Knapp.
Die KAG fordert das Ministerkabinett auf, die Entscheidung zu überdenken und die langfristigen Vorteile eines Oberzentrums aus den vier Städten Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis in enger Kooperation mit den Städten Meiningen und Schmalkalden für die Region und deren Einwohner in den Vordergrund zu stellen.
Hintergrund
Mit der Etablierung eines Oberzentrums Südthüringen ist das Ziel geknüpft, die Region zu stärken und den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere infrastrukturelle und wirtschaftliche Zukunft zu bieten. Es soll zu einem leistungsfähigen oberzentralen Bereich entwickelt werden und neue Entwicklungsimpulse für den Südthüringer Raum erzeugen. Das funktionsteilige Oberzentrum Südthüringen soll zudem als Gegengewicht zu den fränkischen Oberzentren fungieren.
In gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe hat sich die Kommunale Arbeitsgemeinschaft „Oberzentrum Südthüringen“ aus den vier Städten Oberhof, Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis in 2018 gegründet. Freiwillig und ohne Zwang. Mit dem Ziel, die Region Südthüringen zu stärken und Voraussetzungen zu schaffen, die eine bestmögliche Entwicklung für die Region beinhalten. Dabei geht es um die Aufteilung von Funktionen und Aufgaben, insbesondere im Bereich der städtebaulichen Planung und Wirtschaftsförderung. Diese Ziele können gemeinsam angegangen und umgesetzt werden, weil die vier Städte in einem engen siedlungsstrukturellen Zusammenhang stehen. In enger, vertrauensvoller Zusammenarbeit sollen über einen raumordnerischen Vertrag auch die Städte Meiningen und Schmalkalden an das künftige Oberzentrum Südthüringen der vier Städte angebunden werden.